… mag sich vielleicht so mancher Kunde denken, wenn er eine “fertige” Übersetzung geliefert bekommt. Warum diese ganzen Anmerkungen? Wurde nicht schon alles vorher oder auch während des Auftrags geklärt?
Tja, um ehrlich zu sein, wenn ich einen Auftrag ohne irgendwelche Anmerkungen abgäbe, ob nun im Text selbst oder in der begleitenden E-Mail, müsste ich entweder 300%ig von meinem Werk überzeugt sein oder den Kunden schon so gut kennen, dass ich quasi dessen Gedanken lesen kann und seine Antworten und Reaktionen wüsste.
Meine Kollegin Else Gellinek hat auf ihrem Blog “Guckloch” einen ausführlichen Post darüber geschrieben, warum Übersetzer(innen) Kommentare mitliefern.
Aber kommt das auch so positiv bei den Kunden an? In meiner Erfahrung, ja. Ich habe es zumindest bis jetzt noch nicht erlebt, dass einer mal gesagt hätte: “Was sollen diese ganzen Anmerkungen und Fragen? Können Sie etwa nicht übersetzen, oder was?” Im Gegenteil, die Rückmeldungen sind durchweg positiv und erfreut. Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass sich der Kunde dadurch mit einbezogen fühlt (was er ja sowieso sein sollte!) und nicht das Gefühl hat, irgendetwas aufgedrängt oder übergestülpt zu bekommen, sondern seinen Text auch in der Übersetzung mit zu kreieren.
Der ganze Übersetzungsprozess sollte ja ohnehin keine Einbahnstraße sein, weder in die Richtung Kunde-Übersetzer noch andersherum, sondern ein Miteinander-Arbeiten, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist, mit dem dann auch alle Beteiligten zufrieden sind.
Das bedeutet natürlich auch, dass ich als Übersetzerin Anmerkungen des Kunden ernst nehme. Das heißt zwar nicht, dass der Kunde immer Recht hat, aber seine Einwände, Fragen etc. einfach zu ignorieren oder mit “Der hat doch keinen Plan von der Zielsprache” o.ä. abzutun, ist auch nicht im Sinne einer guten und professionellen Kooperation.
Jeder hat schließlich seine eigene “Brille” auf, und die mal mit dem Kunden zu tauschen ist nicht nur gut für das Endergebnis, sondern auch für die jeweilige Weiterentwicklung – oder?