Neulich las ich in der Zeitung einen Artikel darüber, dass ein Physikprofessor an der Universität in Würzburg ein Programm entwickelt hat, das mit Hilfe von Entropie (ein Maß für die Unordnung eines Systems) ein Klaviers fast so akkurat stimmen kann wie ein professioneller Klavierstimmer. Was daran so besonders ist? Ein Klavier lässt sich nicht mit dem Computer stimmen. Selbst wenn jede einzelne Saite laut Stimmgerät perfekt gestimmt ist, klingt das Klavier am Ende falsch. Das hat etwas mit den Obertönen und der “Wohltemperiertheit” zu tun, oder, wie der Autor es schreibt:
[…]ein Klavier [muss] falsch gestimmt werden, damit es richtig klingt. Einmal, weil sich eine Oktave rechnerisch nicht genau auf zwölf Halbtöne (die schwarzen und weißen Tasten) verteilen lässt. Es müssen Kompromisse gemacht werden, damit das Instrument in jeder Tonart spielbar ist. Dann aber auch, weil das Klangspektrum einer Klaviersaite nicht genau den mathematischen Formeln entspricht (die sogenannte Inharmonizität). Das hat die digitale Revolution vom Klavierstimmen bisher ferngehalten. Denn dazu braucht’s einen Menschen: Der Klavierstimmer richtet sich nicht stur nach Messwerten, sondern stimmt die Töne nach Gespür und Gehör so aufeinander ab, dass sie im Kopf richtig klingen. Denn Musik findet im Kopf statt und ist mehr als eine Abfolge bestimmter Frequenzen.
Besonders die letzten zwei Sätze treffen meiner Meinung nach auch auf Übersetzer und Sprachen zu. Es geht ja beim Übersetzen nicht (oder nur wenig) darum die Worte einer Sprache mit Worten einer anderen zu ersetzen. Vielmehr muss man sie nach Gespür und manchmal auch Gehör (wer hat noch nie einen Satz laut gelesen, um zu sehen, ob er so passt?) aufeinander abstimmen, so dass die Nachricht richtig vermittelt und verstanden wird. Wie Musik findet auch Sprache im Kopf statt und ist mehr als eine Abfolge von Worten.
Und genau aus diesem Grund glaube ich nicht, dass maschinelle Übersetzung jemals leibhaftige Übersetzer ersetzen wird, genauso wenig wie ein Stimmgerät jemals einem Klavierstimmer die (Fein-)Arbeit abnehmen wird. Die Maschinen und Programme werden sicherlich immer besser werden. Sie werden vielleicht sogar einmal wirklich gut sein. Aber niemals so, dass es wirklich richtig “klingt”. Weil Musik und Sprache viel zu menschlich dazu sind. Und weil beides nur richtig verstanden wird, wenn Menschen dahinter sind, nicht Maschinen.