Dass Übersetzen und Dolmetschen nicht dasselbe ist, ist zwar nicht unbedingt allgemein bekannt, aber die Unterscheidung ist eigentlich ganz einfach: Übersetzer arbeiten schriftlich, Dolmetscher mündlich.
Obwohl also beide Tätigkeiten grundsätzlich mit der Übertragung von einer in eine andere Sprache zu tun haben, ist es nicht korrekt anzunehmen, dass jeder Übersetzer auch (gut) dolmetschen und jede Dolmetscherin auch (gut) übersetzen kann (oder will).
Diese Woche fand der “Innovation in Interpreting Summit 2022” (online) statt, und dabei gab es auch mehrere Gelegenheiten zum Netzwerken. Ich war bei einem Netzwerktreffen dabei, und dabei wurde ich mal wieder daran erinnert, dass ich ein bisschen eine Ausnahme bin, denn ich bin mit Begeisterung Übersetzerin und Dolmetscherin.
Natürlich ist es bei so einem Summit logisch, dass eher Menschen teilnehmen, die hauptsächlich oder bevorzugt dolmetschen, aber meine Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten entweder das eine oder das andere tun (wollen oder können), und zwar unabhängig davon, was sie während der Ausbildung oder des Studiums gelernt haben.
Ich habe festgestellt, dass Übersetzer eigentlich auch nur übersetzen. Unter den Dolmetscherinnen finden sich da schon mehr, die auch im schriftlichen Bereich tätig sind. Allerdings höre ich fast immer, dass das nur aus Notwendigkeit so ist, nicht, weil sie es unbedingt machen wollen.
Das lässt sich vielleicht damit erklären, dass es in der praktischen Ausführung zwei sehr unterschiedliche Tätigkeiten sind. Etwas vereinfacht gesagt:
Übersetzen, also die schriftliche Übertragung, zielt auf Präzision ab, muss aber nicht sofort stattfinden, sondern man hat Zeit zu überlegen, zu recherchieren, die Sätze zu perfektionieren.
Beim Dolmetschen, also der mündlichen Übertragung, geht es vor allem darum, dass der Inhalt so transportiert wird, dass das ankommt, was gemeint ist, und zwar sofort. Obwohl das Ziel natürlich auch hier ist, möglichst korrekt zu formulieren, die Übertragung muss nicht druckreif sein.
Die meisten Menschen – auch hier simplifiziere und vereinfache ich – tendieren entweder zum “bedächtigen Perfektionismus” oder zum “flexiblen Improvisieren”. Es hat also durchaus auch etwas damit zu tun, “wie schnell man denken” und wie gut man mit Zeitdruck umgehen kann. Und je nachdem, zu welchem Lager man gehört, übersetzt oder dolmetscht man eben lieber – und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch besser!
Heißt das nun, dass jemand in einem oder vielleicht sogar beiden Bereichen nicht so gut ist, wenn er oder sie beides anbietet?
Kurz gesagt: nein. Wenn ich sowohl Übersetzen als auch Dolmetschen anbiete, dann doch, weil ich es kann und auch gerne mache. Sonst würde ich es ja (hoffentlich) auch nicht anbieten. (Mal ganz davon abgesehen, dass es sich auch ziemlich schnell zeigen und herumsprechen würde, wenn dem nicht so wäre…)
Man darf mir also getrost beides anvertrauen – ich mache beides sehr gerne UND sehr gut! 😉