Freitag Nachmittag und den ganzen Samstag war ich – mal wieder – auf einer Fortbildung, und zwar bei einem Seminar des BDÜ. Diesmal ging es um technisches Englisch und die stilistischen Probleme, die sich aus den gänzlich verschiedenen Denkweisen deutscher und (weil der Referent Amerikaner ist in diesem Fall) amerikanischer Ingenieure ergeben.
Der wichtigste Unterschied ist, dass im Deutschen z.B. Betriebsanleitungen sehr kompliziert geschrieben sind und die Sätze möglichst viel Information enthalten. Im Englischen ist aber genau das Gegenteil erwünscht, nämlich dass alles einfach und umkompliziert geschrieben ist und möglichst nicht mehr als eine Aussage pro Satz enthält. (Ein Beispiel für guten Stil in technischem Englisch ist: “File not found”. Direkt, kurz und leicht verständlich. Wenn man sich dagegen einen deutschen Satz anschaut: “Um eine Verstopfung des Systems zu vermeiden, muss in regelmäßigen Intervallen ein Reinigungsvorgang erfolgen.” – viel zu kompliziert, lang und umständlich.)
Der Trick ist, diese komplizierten und teilweise auch unverständlichen oder unklaren Sätze zunächst in einfaches “Kindergarten-Deutsch” zu verwandeln und erst dann zu übersetzen. Dabei sind dann natürlich noch andere Fallen zu umgehen, wie die Vorliebe des Deutschen für Substantivierung (das Englische bevorzugt Verben) und das Passiv, oder sehr allgemein zu schreiben, anstatt direkte Anweisungen zu geben, etc.
Was mich zunächst überrascht hatte war die Tatsache, dass erstaunlich viele englische Muttersprachler und Übersetzer mit sehr hohem sprachlichem Niveau dabei waren. Es wurde aber sehr schnell klar, dass auch ein hervorragender muttersprachlicher Übersetzer mit jahrelanger Erfahrung die oft verworrenen Sätze deutscher Betriebsanleitungen beim besten Willen so nicht ins Englische übertragen kann. Zunächst muss der deutsche Text quasi in ein Deutsch übertragen werden, das auch nicht-Ingenieure problemlos verstehen und das eindeutige, klare Aussagen macht. Dabei fällt dann immer wieder auf, dass die Sätze eigentlich die Hälfte der Information gar nicht beinhalten und oft eine Rücksprache mit dem Verfasser unumgänglich ist. Denn einfach das zu übersetzen, was da steht, ergibt allzu oft im Englischen wenig bis gar keinen Sinn oder verwirrt nur.
David Burkhart, der Referent, verstand es, die einzelnen Punkte auf humorvolle Art zu beleuchten und hatte jede Menge Beispiele zum Üben parat. Überhaupt war die aktive Mitarbeit der Teilnehmer gefragt, und es ergaben sich dank einer wirklich offenen Gruppe teilweise lautstarke und angeregte, aber sehr fruchtbare Diskussionen. Die Lösungsansätze und -vorschläge empfand ich als sehr hilfreich, obwohl ich (zu meiner eigenen Genugtuung und mit ein bisschen Stolz) feststellen durfte, dass ich die meisten stilistischen Fallen bereits erfolgreich umgehe – auch wenn ich nicht immer den Grund dafür wusste!
Das Buch zum Seminar gibt es übrigens vom BDÜ auch käuflich zu erwerben und es enthält u.a. auch Lösungsvorschläge und oft Erklärungen zu den Lösungen, was äußerst hilfreich ist, v.a. wenn eine Lösung nicht unbedingt gleich nachvollziehbar oder plausibel erscheint.
Und wer interessiert ist, das Seminar gibt es (verkürzt) noch einmal, und zwar unter dem Titel “Technical Writing” in Stuttgart am 03.07.2010. Es sind noch Plätze frei.