Schlimmer geht (n)immer

Eigentlich wollte ich diese Woche über meine ersten Schritte als Dozentin berichten, aber dann kam dieser Blog-Beitrag der Kollegin Ricarda Essrich auf meinen Bildschirm, und den muss ich einfach verbreiten! Ein weiterer Beweis für die sinkende Moral gegenüber Freiberuflern und die Ahnungslosigkeit leider nicht nur der Auftraggeber, sondern auch der Übersetzer…. das ist mehr als traurig! Aber jeder lese und urteile selbst:

Odesk – das Abzockerportal für Freiberufler

26. September 2013 – Wortsalat

Derzeit geht ein Onlineportal durch die Presse (Zeit online und Spiegel online haben bereits berichtet), das sich als Wohltäter für Freiberufler und als Zukunft der Online-Arbeit sieht.
Odesk will Auftraggeber und Freiberufler online zusammenbringen. Laut
Zeit.de handelt es sich bereits um die “weltweit größte Vermittlung von
Onlinearbeit”.
“Get the job done on demand” steht da auf der Infoseite für
Auftraggeber. Und “Great careers begin here” auf der Seite für die
Freiberufler.
Eigentlich ein löbliches und erfolgversprechendes Prinzip. Für uns
Übersetzer könnte das interessant sein, denn viele von uns leben nahezu
ausschließlich von Online-Arbeit. Will sagen: Meine Kunden sitzen über
ganz Deutschland, Österreich und Skandinavien verteilt, und es spielt
keine Rolle, von wo aus ich arbeite. Die Abwicklung geschieht per E-Mail
oder über Online-Portale der Übersetzungsagenturen. Ich arbeite, wann
und wo ich will, wichtig ist nur, dass ich pünktlich liefere.
Doch bei Odesk geht es nicht darum, Auftraggeber und professionelle
Freiberufler zusammenzubringen. Hier geht es darum, Projektarbeit für
möglichst wenig Geld zu beauftragen. Professionalität oder Qualität.
spielt dabei keine Rolle. Alles ist ganz transparent – und so kann man
auf der Seite auch sehen, was die Kollegen verdienen. Oder die
Auftraggeber ausschreiben. Nicht wenige Übersetzer (ich lasse die
anderen Kategorien außen vor, weil ich mich da in Sachen Honorar und
Professionalität nicht auskenne) geben einstellige Dollarbeträge als
Stundensatz an, auch in Europa ansässige. Schon mit der darin
enthaltenen Vermittlungsgebühr in Höhe von 10 % an Odesk sind das unterm
Strich unterirdische Honorare.

Beispiele für Unprofessionalität seitens der Übersetzer und Unverschämtheit seitens der Auftraggeber gefällig?

  • Eine deutsche Kollegin gibt an: „On average I translate/review about
    50,000 words a week – this is truly my profession.‟ Das ist nicht ihre
    Profession, das ist Zauberei. Zumindest bei Übersetzungen. Wenn ich von
    einem Durchschnittswert von 500 Wörtern pro Stunde ausgehe, müsste sie
    100 Stunden pro Woche übersetzen. Ist aber wahrscheinlich auch notwendig
    bei einem Stundensatz von 20 $.
  • Und eine Medizinstudentin studiert in der Slowakei auf Englisch, daher
    kann sie aus dem Slowakischen und Englischen ins Schwedische
    übersetzen. Achja, von ihrem Freund hat sie auch noch Norwegisch
    gelernt, das bietet sie natürlich auch an.
  • Ein französischer Auftraggeber auf der anderen Seite hat eine Rechtstext-Übersetzung für rund 0,03 € pro Wort ausgeschrieben.
  • Und es geht noch schlimmer: Ein Auftraggeber möchte 22 Minuten
    spanisches Interview transkribiert und dann ins Englische übersetzt
    haben und bietet 5 $ als Festpreis! (Zum Vergleich: Pro Minute
    Transkription rechnet man ungefähr das 5-6-fache an Arbeitszeit, also
    rund 100 Minuten Arbeit nur für die Transkription. Und dann noch die
    Übersetzung. Für sage und schreibe 3,70 €!)

Überwachungssoftware inklusive
Der wahre Hammer sind aber die Arbeitsbedingungen, die Odesk den
Freiberuflern zumutet. Angeblich, um faire Bedingungen für beide
Parteien zu bieten. Registriert man sich dort als Freiberufler, wird
eine Software installiert, die alle 10 Minuten einen Screenshot macht
und an den Kunden schickt – damit der sicherstellen kann, dass er nur
für Zeit bezahlt, die auch gearbeitet wird. Surft man in dem Moment
gerade im Internet, wird man für die 10 Minuten seit dem letzten
Screenshot nicht bezahlt. Das ist eine bodenlose Unverschämtheit. Denn
wie unterscheidet der Kunde/Odesk/das Programm, ob ich gerade aus Spaß
oder aus Recherchezwecken surfe? Bei meinen Übersetzungen bin ich
ständig im Netz unterwegs, denn Google und Wikipedia sind meine größte
und wichtigste Ressource. Davon abgesehen möchte ich selbst entscheiden,
wann und wie lange ich an einem Projekt arbeite. Das sind keine fairen
Arbeitsbedingungen, das ist Ausbeutung. „Digitale Tagelöhner‟ nennt
Spiegel online das, und dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Es schüttelt mich, wenn ich das lese, und schütteln möchte ich am
liebsten auch alle Kollegen, die über solche Portale arbeiten. So
verlockend es auch (vor allem für Anfänger) ist, weil regelmäßig
Aufträge winken, macht Euch nichts vor: Ihr verkauft Euch dort viel zu
billig. Nicht Ihr verdient darüber Geld. Das steckt Odesk ein. Und die
Auftraggeber, die auf Qualität sch… und Aufträge nach dem Motto
vergeben: Hauptsache billig! 

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