Gestern war die Eröffnung der Photoausstellung “Dolmetscher und Übersetzer beim Nürnberger Prozess” im Landgericht Hof. Als Co-Leiterin der Schwester-Regionalgruppe bin ich auch hin gefahren, als Unterstützung und weil es wirklich interessant ist – obwohl ich die Ausstellung schon in Erlangen gesehen hatte.
Ich hatte mich schon während meiner Ausbildung am IFA in Erlangen mit dem Thema “Dolmetscher und Übersetzer beim Nürnberger Prozess” beschäftigt – eine wirklich faszinierende Sache. Dieser Prozess war die Wiege des Simultandolmetschens, denn bis dato war diese Art der Verdolmetschung gänzlich unbekannt. Aber die Problematik, dass vier Sprachen beteiligt waren und es nicht Jahre dauern sollte, machten eine Revolution erforderlich. Dank der Entwicklung einer entsprechenden Anlage durch IBM und der unglaublichen Anstrengung unzähliger Dolmetscher und Übersetzer, konnte der Prozess tatsächlich in relativ kurzer Zeit abgewickelt werden.
Natürlich gab es Probleme, sowohl technischer als auch persönlicher Art: Viele Dolmetscher waren ja unmittelbar von den Ereignissen betroffen und mussten ausgetauscht werden, weil sie die psychische Belastung – z.B. über ein KZ dolmetschen zu müssen, in dem sie ihre gesamte Familie verloren hatten – nicht aushielten. Andere, v.a. Göring, machten sich die Komplexität und die Schwächen des Systems schamlos zunutze, sowohl was die technische, als auch was die menschliche Seite betraf.
Nach der Begrüßung durch den Präsidenten des Landgerichts Hof, Wolfgnag Hoemke, und einiger einstimmender Worte zur Situation von Gerichtsdolmetschern und -übersetzern heute von Norma Keßler, der BDÜ-Vizepräsidentin, hielt Dr. Theodoros Radisoglou, dem es zu verdanken ist, dass die Photographien von Ray D’Addario zu dieser Ausstellung zusammen kamen, die u.a. schon in Erlangen und Coburg zu sehen waren, einen wundervoll unterhaltsamen und kurzweiligen kleinen Vortrag, der auf die Bilder einstimmte. Prof. h.c. Dr. Klaus Kastner, ehemaliger Präsident des Landgerichts Nürnberg-Fürth, der bereits mehrere Aufsätze und Bücher über die Nürnberger Prozesse geschrieben hat, gab ebenfalls ein paar interessante Einblicke in die Problematik und die überaus spannende Situation, mit der alle Beteiligten damals konfrontiert waren.
Damit war die Ausstellung offiziell eröffnet, und wir konnten, mit Getränken und leckeren Häppchen bewaffnet, unsere Aufmerksamkeit den hervorragenden und eindrücklichen Photographien widmen. Obwohl ich sie nicht zum ersten Mal sah, waren sie für mich doch immer noch oder wieder faszinierend. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie die Arbeitsbedingungen damals gewesen sein mussten. Allein schon die Unmengen an Dokumenten, die innerhalb kürzester Zeit übersetzt sein mussten – kein Wunder, dass da auch mal Fehler vor kamen. Und dann der ständige Hintergrundlärm während des Dolmetschens – die “Kabinen” waren ja nach oben offen. Die heutigen schalldichten und bequemen Nachfolger sind da im Vergleich Luxus pur! Und dann noch der psychische Stress, überhaupt an diesem Prozess beteiligt zu sein, maßgeblich, und trotzdem unsichtbar, und wohl nie neutral oder ganz und gar subjektiv. Ich kann vor der Leistung dieser Pioniere nur meinen Hut ziehen!