Letzte Woche hatte ich das erste Mal Gelegenheit, das sogenannte “Remote Interpreting”, also Ferndolmetschen, auszuprobieren.
Die Situation war äußerst interessant, denn der Auftraggeber war in England, der Kunde bzw. die Veranstaltungen in der Schweiz, und die Dolmetscherinnen in Deutschland.
Das technische Setup war strikt vorgegeben: wir durften kein W-LAN oder Bluetooth-Headsets verwenden, außerdem mussten wir Google Chrome verwenden, Teamviewer installieren und natürlich für ein absolut ruhiges Arbeitsumfeld sorgen.
Nach einer Einführungs- und Übungsrunde am Montag wurde es am Dienstag ernst. Eineinhalb Stunden Deutsch-Englisch Verdolmetschung einer Konferenz zum Thema Klimaschutz. Es lief einwandfrei, wie in der Kabine, nur dass ich die Kollegin eben nicht neben mir hatte, sondern nur virtuell über das Chatfenster.
Guter Dinge loggte ich mich dann am Mittwoch für die nächste Konferenz ein, diesmal Englisch-Deutsch, aber schon die “Fahrstuhlmusik” vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung kam nur bruchstückhaft durch den Äther. Erst dachte ich, es läge an meiner Internetverbindung, aber nachdem auch die Kollegin die gleichen Probleme meldete, war schnell klar, dass das Problem am anderen Ende war.
Der Techniker vor Ort bemühte sich redlich, nahm schon den Videofeed raus und startete das System immer wieder neu, aber letztendlich wurde es nicht wirklich besser. Wir konnten nur hin und wieder ganze Stücke der Podiumsdiskussion dolmetschen, teilweise war nur ca. jedes vierte Wort zu hören, weil die Verbindung so schlecht war.
Der Techniker meinte, es läge wohl am W-LAN des Hotels dort, aber unsere Sorge war natürlich, dass “unsere” Zuhörer vom Geschehen nicht wirklich viel mitbekamen – und das womöglich uns in die Schuhe schoben?! Der Techniker versicherte uns zwar anschließend, dass sie sehr zufrieden mit unserer Leistung waren, aber wir waren es trotzdem nicht. Da ging es der Kollegin genauso wie mir – wir wollen immer die bestmögliche Leistung erbringen, und das war das diesmal nicht, auch wenn es nicht unsere Schuld war.
Mein Fazit: Für bestimmte Situationen ist RI sicher sehr gut, zum Beispiel, wenn es um Leben und Tod geht und kein Dolmetscher vor Ort zu finden ist, oder nicht rechtzeitig kommen kann.
Ich kann mir auch vorstellen, dass bei Gesprächen zwischen 2 oder vielleicht auch 3 Teilnehmern ein Dolmetscher gut per Telefon oder Skype zwischengeschaltet werden kann.
Aber bei Konferenzen und ähnlichen Veranstaltungen, bei denen viele Menschen auf eine Verdolmetschung angewiesen sind, auch wenn sie nur ein paar Stunden dauert, finde ich es nicht gerechtfertigt, (vermutlich nur) aus Kostengründen die RI-Option zu wählen. Wenn die Technik versagt, bricht dann nämlich auch die Kommunikation zusammen, die ja eben eigentlich durch die Dolmetscher sichergestellt werden sollte.
Wären wir am Mittwoch vor Ort gewesen und die Technik hätte versagt, wären wir einfach aus der Kabine gekommen und hätten das Ganze vorne mit Mikrofon konsekutiv gedolmetscht. Das hätte dann zwar länger gedauert, aber dafür wäre niemand außen vor geblieben, weil er oder sie nichts verstanden hat.
Und wie seht ihr das? Habt ihr schon Erfahrungen damit gemacht? Positive oder negative? Und welche Zukunft seht ihr fürs RI? Und die Konsequenzen für uns Dolmetscher?