Im Gespräch mit Barbara Beck

Ich finde es immer sehr interessant und oft auch hilfreich, mit Kolleginnen und Kollegen zu sprechen, ihre Blogs oder sonstigen Publikationen zu lesen oder Interviews mit ihnen zu sehen, hören oder lesen, denn ich erfahre immer etwas Neues und bekomme Ideen und Denkanstöße. Und ich merke, ich bin nicht alleine mit manchen Fragen, Erlebnissen oder Vorstellungen.
Patrizia Napoli hat auf ihrem Blog kürzlich eine Kollegin interviewt, und diese Interview finde ich sehr teilenswert. Viel Spaß beim Lesen!

«Wenn ich könnte, würde ich
noch ein Fachstudium absolvieren.» Seit rund 30 Jahren ist Barbara Beck
als selbstständige Fachübersetzerin im Technikbereich
tätig und erfreut sich treuer und langjähriger Kunden. Zu den
Grundpfeilern ihrer Arbeit zählen nicht nur ihre drei Sprachen und ihr
enormes Fachwissen, sondern auch ihr Selbstbewusstsein und die
Kunst, Fragen zu stellen und mit dem Kunden «auf Augenhöhe
umzugehen».
Als mich Barbara in ihrem Büro in Freiburg in Breisgau empfängt,
strahlt sie genau das aus, was sie später im Gespräch mehrmals betonen
wird: Know-how, Selbstbewusstsein und jede Menge Spass an
ihrem Beruf. Das Gemeinschaftsbüro teilt sie mit anderen
freiberuflichen Übersetzern, die Räume riechen förmlich nach Sprachen
und Texten und Wissen. An einem kleinen Tisch mit Kaffee und Kuchen
stelle ich Barbara meine erste Frage: «Wieso denkst du, dass ich
gerade dich interviewen möchte?» Vorsichtig stellt Barbara Vermutungen
an, doch den wirklichen Grund verrate ich ihr nicht –
zumindest nicht sofort: Könnten Barbaras ruhige und ausgeglichene
Art, ihre Expertise und langjährige Erfahrung als «optisches Ensemble»
festgehalten werden, dann wäre dieser Blogartikel der
ultimative Eyecatcher. Barbara vereint in ihrer Person zudem den
technischen und professionellen Wandel der letzten 30 Jahre: von der
Schreibmaschine zum Computer, von den Karteikarten zum
CAT-Tool, von der Fremdsprachenübersetzung zum «Hype» des
Muttersprachenprinzips und – allen Widrigkeiten zum Trotz – von der
Kundenakquise zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Barbara, wann und wie hast du angefangen?
Ich
habe zunächst vier Jahre
als Diplom-Übersetzerin im Fremdsprachendienst eines
Industrieunternehmens gearbeitet, ich kam frisch von der Uni. Das war in
den 80er-Jahren, damals hatten wir noch Schreibmaschinen (lacht). Die
Arbeit war nicht besonders gut bezahlt, aber ich habe unheimlich
viel gelernt. Davon profitiere ich heute noch.
Woran denkst du genau?
Wir
hatten dort die Möglichkeit, gelegentlich ins Werk zu gehen und uns die
in der Bedienungsanleitung
oder im Handbuch beschriebenen Maschinen oder Teile anzuschauen und
gezielt Fragen zu stellen. Die Zusammenarbeit unter den Kolleginnen war
auch toll: Dadurch, dass nie zwei Personen gleichzeitig
mit derselben Sprachkombination gearbeitet haben, gab es keine
direkte Konkurrenzsituation, aber eine sehr intensive Einarbeitung.
Welches waren deine
Sprachkombinationen?
Ich habe mich für Englisch und Spanisch beworben. Übersetzt wurde dort sowohl aus der
Fremdsprache als auch in die Fremdsprache.
Wirklich? Und wie stand es mit dem
Muttersprachenprinzip?
Ach, Muttersprachenprinzip (verdreht die Augen), das
ist eines meiner Lieblingsthemen! Damals gab es diesen Hype noch nicht.
Ausserdem hatten wir im Team ja Muttersprachlerinnen
unterschiedlicher Sprachen, und auch dank der Zusammenarbeit mit
unternehmenseigenen Niederlassungen konnten die Handbücher problemlos
übersetzt werden.
Hast du denn mit den Fremdsprachen keine
Schwierigkeiten? Du bist sicher viel schneller, wenn du ins Deutsche übersetzt…
(Denkt
nach) Ich sage es mal so: Im technischen Bereich, also in meinen
Fachgebieten, bin ich bei
Übersetzungen in die Fremdsprache schon schnell. Neue Fachgebiete
und insbesondere Marketingtexte lasse ich ohnehin immer von
muttersprachigen Kollegen lesen. Man muss auch sagen, dass
Übersetzungen ins Deutsche teilweise auch ihre Tücken haben, vor
allem wenn die Ausgangssprache Englisch ist. Da kann ein Terminus ja
alles Mögliche bedeuten und manchmal kann man nur vermuten,
was der Autor sagen wollte.
Das heisst, du arbeitest nicht regelmässig nach dem
4-Augen-Prinzip.
Häufig,
aber nicht immer. Es ist ja auch nicht immer realistisch, denn zwei
weitere Augen kosten
zusätzlich Zeit, und natürlich auch Geld. (Denkt nach) Ideal ist
einfach die Zusammenarbeit in einem Team mit Fremd- und
Muttersprachlern.
Was ist deiner Meinung nach der wichtigste Aspekt
in einem unternehmensinternen Fremdsprachendienst bzw. Sprachendienst?
Heute
wird leider zu viel outgesourct. Im Unternehmen sitzt dann höchstens
ein Projektmanager, der sich um
die Auftragskoordination kümmert. Es wird einfach nicht bedacht, wie
unglaublich wichtig es für die Übersetzer ist, vor Ort zu sein und
Zugang zu den Produkten zu haben. Sich damit gut
auszukennen und nachfragen zu können. Es ist den Unternehmen häufig
nicht bewusst, dass dadurch enorm viel Service- und Hotlinezeit gespart
werden kann, und damit natürlich auch Geld. Der
finanzielle Aspekt eines internen Sprachendienstes wird von den
Unternehmen meiner Meinung nach falsch definiert und sollte überdacht
werden.
Wie bist du zum Freelancing
gekommen?
Nach
drei Jahren im Industrieunternehmen habe ich mein Arbeitspensum
reduziert, weil ich nebenher schon
Aufträge von Gerichten und Notaren hatte. Über meine Mitgliedschaft
beim BDÜ kamen ebenfalls Anfragen, so konnte ich langsam meinen
Kundenstamm aufbauen. Es war eigentlich ein idealer Einstieg
ins Freelancing.
Und wann hast du dich entschieden, deine Stelle
definitiv aufzugeben?
(Lacht)
Rate mal, das typische Klischee: Kind! Ich hatte sowieso schon immer
die Vorstellung, meinen Beruf
so zu gestalten, dass ich beides – also Kinder haben und arbeiten –
durchgängig machen kann. Und das hat wunderbar geklappt, auch nach dem
zweiten und dritten Kind. Möglich war das übrigens auch
dank meiner guten Kunden.
Wie meinst du das?
Ich
war in einer sehr komfortablen Situation: Als mein erstes Kind geboren
wurde, hatte ich schon feste
Kunden. Ich kannte viele Mitarbeiter persönlich und konnte auch in
schwierigen Situationen oder bei Engpässen auf deren Verständnis zählen.
Viele Kunden geben mir das Gefühl, Teil ihres Teams zu
sein.
Als externe Stammübersetzerin mit einem enormen
Wissen hat man also gute Chancen.
Ja, das ist schön ausgedrückt. Dazu kommt mir auch ein lustiges Erlebnis in den Sinn (lacht).
Erzähl mal.
Eine
Firma, für die ich jetzt seit 27 Jahren übersetze, hatte einen neuen
Abteilungsleiter bekommen und
eine neue Maschinenlinie eingeführt. Für die Präsentation wurde ein
Wochenende mit Vertretern aus aller Welt organisiert – und da ich das
Dokumentationsprojekt aktiv mitgestaltet hatte, wurde ich
auch eingeladen. Zudem war ich die einzige Frau. Dann werde ich
diesem neuen Abteilungsleiter vorgestellt und er fragt mich: «Und?
Konnten Sie ein bisschen was verstehen von der Präsentation?».
Meine Auftraggeber wären am liebsten im Boden versunken! Und ich hab
geantwortet: «Ja, Herr Soundso, ich hab die Präsentation und sämtliche
Dokumentation übersetzt.»
Das war ihm hoffentlich peinlich!
(Lacht) Klar! Wir kamen später bestens miteinander aus. Zum Glück ist mir diese Haltung selten
begegnet.
Welche Haltung denn?
Dieses typische… (Denkt nach) Kennst du den Satz: «Ach, übersetzen Sie doch einfach, was da steht.»?
(Lacht) Da denkt man manchmal schon an das Wort «Kundenerziehung».
Was verstehst du darunter?
Ich habe häufig Kollegen klagen gehört, ihr Kunde würde Ihnen den Auftrag immer
freitags schicken
und die Übersetzung am Montagmorgen haben wollen. Dann sage ich:
«Das macht dein Kunde einmal, vielleicht zweimal – aber das macht er
doch kein drittes Mal, oder?»
Man soll den Auftrag also
ablehnen?
Nein,
das ist gar nicht nötig. Ich meine einfach, dass der Liefertermin offen
abgeklärt werden sollte. Ich
habe oft die Erfahrung gemacht, dass der Kunde zum Liefertermin gar
nichts sagt, sondern automatisch von einem bestimmten Liefertermin
ausgeht. Wenn in einer E-Mail «schnellstmöglich» steht,
bedeutet das denn, dass ich alles andere stoppen muss?
Du meinst, über den Liefertermin kann verhandelt
werden.
Man muss herausfinden, bis wann der Kunde die Übersetzung wirklich
braucht und was er mit Ausdrücken wie «schnellstmöglich» genau meint.
Ich habe mich in der Vergangenheit oft unter einen Druck gesetzt, der
gar nicht
notwendig war. Ich frage also nach und in der Regel klärt sich das.
Zur Wochenendarbeit:
Spätestens beim zweiten Mal mache ich dem Kunden verständlich, dass
auch ich mein Wochenende habe. Das bedeutet nicht,
dass ich nicht flexibel bin und nicht helfe, wenn er in einer
Notlage ist. Vor Messen oder Neueinführungen beispielsweise zieht man
immer an einem Strang. Da gehört auch mal ein Wochenende oder
später Abend dazu. Aber ansonsten sollte diese Einstellung längst
überholt sein.
Welche Einstellung?
Die Einstellung, dass ich als technischer Redakteur, Anwalt, Ingenieur usw. immer am
Freitagabend feststelle, dass da noch etwas übersetzt werden muss. Ich schicke also den Text mal
in die
Übersetzung
bis
Montagmorgen, dann räume ich meinen Schreibtisch und kann nach dem
wohlverdienten Wochenende gleich
weiterarbeiten. Ist ja toll, oder? Leider ist das immer noch sehr
häufig der Fall – und noch häufiger ist, dass Übersetzer und
Übersetzungsbüros das auf Dauer hinnehmen. Ein anderes Beispiel sind
die Preise.
Konkret?
Es kommt tatsächlich vor, dass die Kunden die Preise für Übersetzungen mit der Zeit
reduzieren und die Übersetzer
denken, sich nicht
wirklich wehren zu können. Da gibt es sicherlich viele Zwänge.
Einerseits ist man von den Auftraggebern abhängig, andererseits
könnte man es so sehen, dass man den Kunden geradezu einlädt, die
Preise weiter zu reduzieren.
Wenn man sich wehrt, riskiert man doch, den Kunden
zu verlieren…
Das stimmt und ist auch ein grosses Problem. Aber manchmal gäbe es ja vielleicht die Möglichkeit, sich in
neue oder gesuchtere Fachgebiete einzuarbeiten und dadurch auch neue Kunden zu gewinnen.
Da gibt es ja auch immer noch Studenten und
Praktikanten, die den gleichen Job für weniger Geld machen.
Stimmt. Dann könnte man den Kunden mal fragen: «Machen Sie es denn mit der
Qualität Ihrer Produkte auch so, dass Sie nur den Lehrling
da ranlassen?» Und dann gibt es noch viele Übersetzer, die im Zweifelsfall den Kunden lieber nicht anrufen…
Je weniger Fragen, desto besser – oder
nicht?
Das
denken viele, aber das sehe ich nicht so. Ich habe sehr positive
Erfahrungen damit gemacht, auf meine
Kunden zuzugehen und Fragen zu Text und Hintergrund zu stellen. Das
zeugt meiner Meinung nach von Professionalität: Ein Übersetzer, der nie
Fragen stellt, ist nicht unbedingt der bessere
Übersetzer. Viele Kunden wundern sich, dass der Übersetzer sich gar
nicht meldet. Es geht da auch häufig wieder um das Selbstbewusstsein.
Wie meinst du das?
Je mehr Selbstbewusstsein man in der Zusammenarbeit an den Tag legt, desto mehr wird man
häufig vom Kunden
respektiert. Das
ist im Hinblick auf den Preis natürlich
nicht
immer einfach, weil man ja auf ein bestimmtes Einkommen angewiesen
ist. Aber gerade diejenigen Übersetzer, die sich das leisten können,
sollten sich für diese anderen Kollegen ein- und durchsetzen, deren
Verdienst häufig genug sehr knapp ist. Sonst wird die
Branche preislich immer mehr absacken…
Bist du denn auch eine von den Übersetzerinnen, die
sich durchsetzt?
Naja,
ein Beispiel: Ich habe neulich eine Anfrage von einem Übersetzungsbüro
in England erhalten, sie
hatten mich im Netz auf der Seite des Berufsverbands BDÜ «gefunden»
und waren von meinen Fachgebieten begeistert. Sie haben sämtliche
Unterlagen von mir angefordert und mir erst später dann ihre
Tarife genannt. Da habe ich wirklich mal zurückgeschrieben, dass ich
ihr Angebot leider nicht akzeptieren kann, weil ich in Deutschland als
Putzfrau mehr verdienen würde. Ich habe nie wieder
etwas von ihnen gehört.
Du suchst dir also deine Kunden selber
aus.
Na ganz so ist es natürlich nicht. Aber ich arbeite sehr gerne im Bereich Technik. Es gibt
da so eine etwas bissige und vorurteilhafte Kundeneinteilung
(lacht). Techniker:
Immer gerne, denn zu neunzig Prozent triffst du hier auf Menschen, die
deine Leistung achten, sehr kooperativ sind und faire
Bedingungen stellen. Kaufl
eute: Da
kommt manchmal die Haltung des «Ich-könnte-das-eigentlich-auch-selber-machen-aber-habe-keine-Zeit…» zum Vorschein. Die Krönung sind dann manche
Werbeleute: «Was?! Dafür brauchen Sie echt bis morgen Zeit?»
Und wenn die Kunden sich ihre externen Übersetzer
aussuchen wollen? Auf dem Markt gibt es ja ganz viele interessante Angebote…
Da
muss man eben argumentieren und – ich wiederhole – selbstbewusst
auftreten und sein
Know-how auch zeigen. Häufig ist es Verhandlungssache, und die Mühe
lohnt sich. Allerdings denke ich, dass die direkte Zusammenarbeit auch
dem Kunden den grössten Vorteil bring
t.
Da kann man zum Beispiel auch spontan einspringen,
wenns mal brennt, und man ist immer «in der Materie drin». Fest
steht: Der Grossteil meiner Kunden weiss meine Arbeit zu schätzen.
Zum Schluss: Was würdest du heute anders
machen?
(Lacht)
Wenn ich nochmal starten könnte, würde ich zum Übersetzerstudium noch
ein technisches Fachstudium
absolvieren! Einer meiner Kunden sagte mir schon manchmal, dass ich
mittlerweile selber technische Schulungen durchführen könnte. Wer weiss,
vielleicht ist es dafür noch nicht zu spät…
http://www.uebersetzungen-beck.com/

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