Oder: Wie ich in Nürnberg “wohne” ohne Miete zu zahlen, und warum.
Vor zwei Jahren bin ich ja (endlich!) Mitglied im VKD, dem Verband der Konferenzdolmetscher im Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer, geworden (nachzulesen hier). Dabei musste ich auch entscheiden, wo denn mein beruflicher Wohnsitz sein sollte.
Mein was bitte?
Der VKD definiert den beruflichen Wohnsitz auf seiner Webseite so:
Jeder Konferenzdolmetscher entscheidet sich für einen beruflichen Wohnsitz. Wird er an einem anderen Ort als an seinem beruflichen Wohnsitz tätig, entstehen Reisekosten. Je nachdem, wie weit der Konferenzort vom beruflichen Wohnsitz entfernt ist, können ein Reisezeithonorar („approche“), ein Tagegeld („per diem“) bzw. ein Übernachtungsgeld („per noctem“) ausgehandelt werden.
Gemäß der Berufs- und Ehrenordnung des BDÜ im VKD e.V. können Mitglieder nur einen beruflichen Wohnsitz angeben. Dieser muss nicht dem tatsächlichen Wohnsitz entsprechen.
Einfach ausgedrückt ist der berufliche Wohnsitz der Ort, von dem aus den Kunden eventuell anfallende Reisekosten berechnet werden.
Nach kurzem Überlegen habe ich mich dafür entschieden, Nürnberg als meinen beruflichen Wohnsitz anzugeben. Es ist von meinem tatsächlichen Büro aus relativ schnell und v.a. unkompliziert zu erreichen, und laut der Aussagen einiger KollegInnen, die ich befragte, gibt es tatsächlich gar nicht so viele Englisch-Dolmetscher in der Metropolregion, die Mitglied im VKD sind.
Und es hat sich gelohnt! Wenn man von den veränderten Bedingungen auf dem Dolmetschmarkt insgesamt aufgrund von Corona mal absieht, habe ich tatsächlich deutlich mehr Anfragen und somit auch Aufträge bekommen, weil ich für die Kunden in Nürnberg sitze und alles von dort aus abgerechnet wird.
Auch wenn dieser Wohnsitz “nur für die Arbeit” also gelegentlich heiß diskutiert wird, ich finde ihn grundsätzlich gut.
Natürlich gibt es auch Argumente dagegen (für manche Kunden wird es dann teurer, obwohl sie eigentlich näher sind etc.), und für manche ist die Entscheidung vermutlich ungleich schwieriger als sie es für mich war, v.a. je näher man an größeren Städten wohnt. Da hilft es, sich umzuhören bei den etablierten KollegInnen und vielleicht auch ein wenig zu experimentieren. Man darf ja nur einen beruflichen Wohnsitz angeben und den dann auch nicht ständig wechseln, aber wenn einer nach einer gewissen Zeit nicht die gewünschte Auslastung bringt oder sich nicht rechnet, dann kann man ja einen anderen nehmen, der hoffentlich besser “funktioniert”. Nur sollte man nicht ständig wechseln. Erstens geht das höchstwahrscheinlich nur begrenzt (und vermutlich auch nur mit guter Begründung gegenüber dem VKD) und zweitens dauert es ja auch eine Weile, bis sich die Auswirkungen zeigen. Mal davon abgesehen, dass man potentielle oder auch bestehende Kunden mit immer wieder neuen Orten eher verwirrt als Vertrauen zu erwecken und einen professionellen Eindruck zu hinterlassen…
Und das sollte man unbedingt vermeiden!
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