Undank ist (nicht nur) des Übersetzers Lohn
In dem Roman,
den ich gerade lese, passiert als Nebenhandlung etwas
Außerordentliches: Da bedankt sich ein Leser nicht beim Autor, sondern
beim Übersetzer eines nicht sehr bekannten Werks, denn „ohne den
Übersetzer wäre er niemals in den Genuss dieses Buches gekommen“. Ein
sehr schöner Gedanken: Ein Autor kann die schönsten Bücher schreiben,
aber ohne Übersetzer bleiben diese größeren oder kleineren Meisterwerke
vielen Lesern weltweit vorenthalten.
In der Praxis aber ziemlich weit hergeholt. Da ich beruflich ja nun
weniger in der literarischen Welt, sondern eher im Marketingbereich
unterwegs bin, bezweifle ich, dass sich ein Leser bei mir für seinen
tollen Urlaub bedanken wird, den er wahrscheinlich nicht hätte antreten
können (oder wollen), wenn ich nicht Hotelwebsites, Sonderangebote und
Landesinformationen übersetzt hätte. Oder die Friseurin, die den
modernen Hochleistungsföhn aus den USA nur deshalb richtig bedienen
kann, weil ich mich (trotz Kurzhaarfrisur) nächtelang mit den Vor- und
Nachteilen des Geräts auseinandergesetzt habe, um eine korrekte und vor
allem brauchbare Übersetzung der Anleitung zu liefern. Ganz ehrlich, das
würde ich auch niemals erwarten, aber allein der Gedanken ist sehr
inspirierend.
Denn Tatsache ist: In den seltensten Fällen wird man uns Übersetzern
danken. Im Gegenteil, oft werden wir sogar zu Sündenböcken, wenn
Haushaltsgeräte nicht richtig funktionieren, Webseiten keine Besucher
anlocken oder Produkte sich nicht verkaufen. Da wird oft eine ganze
Zunft (die noch nicht mal eine ist!) in den Dreck gezogen, dabei hat das
oft nichts mit Übersetzern aus Fleisch und Blut zu tun, sondern mit
Google Translate.
Und um jetzt endlich zum Punkt zu kommen: So viele Menschen arbeiten
tagtäglich für uns, einige davon sind unsichtbar und andere sehen wir
nicht. Sei es, um es uns zu ermöglichen, ein gutes Buch zu lesen, das
unser Herz erwärmt, oder um einen Heizstrahler zu installieren, der uns
die Füße wärmt. Oder um unser tägliches Leben zu erleichtern. Der
Busfahrer, der Koch in der Kantine, der Lokführer, die Straßenkehrer,
die Gärtner in den öffentlichen Parks, der Straßenpolizist (ja, ok, das
ist jetzt gewagt, aber der macht auch nur seinen Job). Ich finde, wir
sollten alle anfangen, uns bei diesen Menschen zu bedanken. Vielleicht
im Stillen, mit einem Gedanken, oder mit einem Lächeln oder mit einem
Kompliment für die gute Arbeit, oder mit ….
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